Mittwoch, 3. Dezember 2008

Wüste - Reisebericht Teil 5

WüsteWeite kann einen wahnsinnig machen. Ich verstehe jetzt, warum man so oft hört, dass Leute, die sich in der Wüste verirren, verrückt werden. In den ersten 3 Stunden war die Steppenlandschaft der Karoo noch aufregend. Die Karoo ist keine Sandwüste, sondern landschaftlich durch beige-roten Schotter geprägt, der mit niedrigen grasähnlichen Pflanzen übersäht ist. Ab und an sind Kakteen dabei. Es sieht so aus, wie ich mir Arizona/USA vorstelle. Nach 4 Stunden war ich davon ermüdet. Ich fuhr hunderte Kilometer, ohne dass mir ein Auto entgegen kam. Es war sengend heiß. Mein Auge versuchte sich auf irgendetwas zu richten. Irgendeinen Anhaltspunkt zu haben. Weit weg am Horizont flimmerte der Asphalt. Da hinten, da würde bestimmt etwas kommen. Ein Haus. Oder ein Baum. Oder ein Auto. Irgendetwas, das auf Leben hinwies. Aber da kam nichts. Auch hinter der nächsten Kurve, dem nächsten Hügel: Nichts. Statt dessen glitzerte es von Neuem verheißungsvoll am Horizont. Und auch dort würde nichts sein. Menschen brauchen Etappen, sie müssen auf irgendetwas hinsteuern können. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es wäre, wenn das Leben endlos sei. Furchtbar wahrscheinlich.

Gegen 15 Uhr war die Hitze unerträglich. Mit offenem Fenster und eingeschaltetem Gebläse war es so, als würde mir jemand mit einem heißen Föhn ins Gesicht pusten. Das Lenkrad war so heiß, dass ich es kaum anfassen konnte. Mein Wasser konnte ich nicht mehr trinken, da es Blasen warf. Alles, was ich irgendwann wollte, war: Irgendwo ankommen. Aber bis zum nächsten Ort waren es noch zig Kilometer. Ich verfolgte die Hundertmeterschritte auf der Kilometeranzeige meines Wagens. Alles kam mir endlos lang vor.

Es wurde schon fast dunkel, als ich in Williston ankam. Die Straßen waren nicht geteert, zu den Häusern führten nur Schotterwege. Zum Glück gab es ein Bed & Breakfast. "De Ark", was ich mal ganz naiv mit "Die Arche" übersetzte, nannte sich ein uriges Gebäude, das von außen mit lauter Krimskrams dekoriert war. Alte Pfannen, Flaschen, Teller, Wagenräder hingen an Wänden und Giebeln. Das Ganze war sehr spinnert arrangiert. Entweder wohnte hier ein alter Mann mit Stock, der einen Hau weg hatte, oder so eine Art Künstlertyp. Auf jeden Fall jemand, der so richtig ganz dicht nicht sein konnte.

Der Mann, der mir die Tür aufmachte, hieß Pieter und war zum Glück von zweiter Sorte. Er war attraktiv, um die 40, hatte Fine Arts studiert, dann lange in Kapstadt als Textildesigner gearbeitet und war vor vier Jahren mit seiner Frau in die Wüste gezogen. Er sagte, er hätte die Schnauze voll gehabt von der Großstadt, dem Stress, der hohen Kriminalität. Nun verdiente er sein Geld mit dem B&B und seiner Kunst. Nebenbei arbeitete er in der Bäckerei von Williston. Pieter bot mir sofort ein Glas kalten Rosé an. Wir rauchten viele Zigaretten und tranken viel Wein. Als ich zu Bett ging, hatte ich Kopfschmerzen.

Am nächsten Tag fuhr ich wieder Hunderte von Kilometern durch Einöde, bevor ich größere Städte erreichte. Ich verbrachte die Nacht in einem B&B, das ein junggebliebener Hippie-Typ aus San Francisco um Mitte fünfzig betrieb. Er hatte einen grauen Zopf und eine große, rote Trinkernase, war aber voll in Ordnung.

Neben Kapstadt und Wüste wollte ich noch das wilde Afrika kennenlernen. Da ging es nun hin.