Montag, 24. November 2008

Kapstadt - Reisebericht Teil 2

VW Jetta in KayelitshaHallo aus Kapstadt nochmal. Ich habe jetzt ein Bild davon, wohin die Minibusse (Marke VW Bus) mit den vielen schwarzen Arbeitern fahren, die hier vom Straßenrand eingesammelt werden. In die Cape Flats, die -wie schon erwähnt- bestimmt fast Zweidrittel der ganzen Stadt ausmachen und um den Stadtkern herum bis weit ins Landesinnere ragen. Die Schwarzen durften ja bis zum Ende der Apartheid 1994 nicht in den schönen Teilen der Stadt wohnen. Noch in den 60er-Jahren wurde ein komplettes Stadtviertel geräumt, in dem coloured people wohnten, damit die Weißen mehr Platz hatten. Dieses Viertel ging als "District Six" in die Geschichte ein. Die Bewohner hat man einfach in das nächste Township umgesiedelt. In den Townships wohnen fast 2 Millionen Menschen.

Und dort sieht es wirklich so aus, wie man es im Fernsehen manchmal sieht. Ganz, ganz schrecklich. Meere von Wellblechhütten, dicht an dicht, 40 Kilometer (!) lang Pappe, Blech, Müll, tief hängende Stromleitungen - Menschen. In der ersten halben Stunde unserer Tour durch die Townships war ich einfach nur geschockt und tief beschämt. Was noch schlimmer ist, man will einfach nur so schnell wie möglich wieder weg da. Ich habe mich auch nicht getraut, Fotos zu machen. Das schien mir angesichts der Situation der Menschen dort unpassend. Thabang, der Fahrer unseres -na klar- VW Busses sagte jedoch, wir könnten ruhig Fotos machen und hielt sogar an besonders geeigneten Stellen (= Panorama-Blick über endlos ins Land ragende Wellblech-Siedlungen mit Bergkulisse im Hintergrund (...)).
Er sagte dann "Look here, this is a nice picture" und zeigte auf: das, was wir Elend nennen. Thabang war selber einmal aus einem ländlichen Gebiet Südafrikas nach Kapstadt gekommen und hatte über Jahre in einem der Townships gelebt. "Don´t see only the poverty, I want you to have a look at the culture of the people". Wir stiegen ein paar Mal aus, schauten uns einen Township-Supermarkt, eine Wellblechhütte von innen, einen Kindergarten und eine Kirche an. Es gibt alles, wenn auch sehr improvisiert; in manchen Township-Bezirken aber kein fließendes Wasser, keinen Strom, keine Müllabfuhr, keinen Platz und so weiter. Ein ganz bestimmter Geruch liegt in der Luft, leicht verbrannt. Man kann am "Kiosk" Kerosin für Lampen und Öfen kaufen, vielleicht stinkt das so. Überall wird mit kaputten Fenstern, Autoreifen, Blechkrams (für die Leute dort wertvolle Dinge!) gehandelt. Es ist tatsächlich so, dass Kinder mit Spielzeug spielen, dass sie aus weggeworfenen Coladosen basteln. Man kann daraus zum Beispiel Blechtiere "falten". Alte Telefonkabel werden um Eisendraht gewickelt und ergeben so ein Armband. Die Leute trinken aus Blechbüchsen, Hühner werden auf der Straße gerupft und über Feuer gegrillt. Wir waren auch bei einem "Arzt", einer Art Voodoo-Mann, der auch bei Liebeskummer oder verlorenem Job helfen kann. Dieser "traditional healer" ist sehr angesehen bei den Leuten. Er haust in einem dunklen Verschlag, überall hängen Tierbeine, -zähne, vielleicht auch Innereien (?, danach riecht es zumindest..) und Kräuter von der Decke, die er für seine Zwecke benutzt. Was auch von der Decke hängt, sind Kondome! Die sind dann die "prophylaxe" gegen Aids...

War ich anfangs entsetzt über die Lebensverhältnisse, habe ich im Kontakt mit den Leuten verstanden, was Thabang mit "don´t look only at the poverty, I want you to see the culture of the people" meinte: Die Menschen da leben Alltag, waschen Wäsche, sind stolz, sie dekorieren ihre 5-Quadratmeter-Wellblechhütte mit Müllnippes, haben sich arrangiert, witzeln mit einem und machen -man glaubt es kaum- einen l e b e n s f r o h e n Eindruck! Kinder kommen auf dich zu und lachen dich an. Vor manch eine Wellblechhütte gezwängt steht ein zwar klappriges, aber funktionierendes Auto. Keine Ahnung, wie die Leute das dahin und wieder raus bekommen. Und auch in den Townships gibt es die sogenannten "Beverly Hills". Wer genug Geld verdient hat, kann aufsteigen und sich in einem besseren Teil der Townships ein Haus aus Stein bauen, dann mit Strom. Thabang hat es mittlerweile zu einem Haus in einem ganz normalen Vorort von Kapstadt geschafft. Wie? "Education, education, education. I went to school and worked hard." Viele der Schwarzen in den Townships sprechen kein Englisch. Sie sprechen eine der elf afrikanischen Landessprachen, können nicht lesen, nicht schreiben. Mittlerweile kann jedes Kind in einem Township zur Schule gehen. Da aber keine Schulpflicht besteht, gehen manche Kinder dort nicht hin, weil gerade die Eltern aus den sehr ländlichen Gebieten Afrikas nicht glauben, dass das wichtig ist. Übrigens verdient man als Schwarzer in einem guten Vollzeitjob in der Stadt ungefähr 60 Rand (=6 Euro) am Tag. Also 120 Euro im Monat...und das ist glaube ich schon viel.

Hunderte von den Minibussen sieht man zur Feierabendzeit gegen 17 Uhr auf den Autobahnen Richtung Townships fahren. Fragt mich nicht, wie das organisiert ist, funktioniert ja. Die VW-Busse, in die ungefähr 10 Leute reinpassen, nennen die Schwarzen übrigens "Taxi". Es gibt auch große Busse, die in den Stadtrand fahren und immer voll sind. Die heißen "golden arrow - the bus for us" und sehen alles andere als golden aus. Einer der besichtigten Slums heißt khayelitsha, was so viel wie "neues Zuhause" bedeutet. Auch Züge fahren in die Suburbs. Weiße fahren in Kapstadt generell nicht Zug und nicht Bus. Einmal war ich am Bahnhof. Da ich die einzige Weiße weit und breit war, bin ich ganz schnell wieder weg. Warum nur, sind doch alles nur Menschen. Aber man hat eben ein mulmiges Gefühl, das sich ganz automatisch einstellt.

Zurück in meinem schönen weißen Weinberg-Dorf esse ich in einem ganz normalen Restaurant Burger und Fries. Ich komme mir ein bisschen vor wie in einem englischen Golfclub. Die Atmosphäre ist elegant, ausnahmslos schöne weiße Leute trinken Wein und essen Steak. Ein feines Essen samt Getränken und exzellentem Service kostet 80 Rand, umgerechnet 7-8 Euro. Auf dem Flachbildschirm läuft Cricket und Rugby. Man fährt in großen Autos direkt bis zum Restaurant vor. Schmuck wird gern getragen, ebenso Mode in hellen Farben. Weiße Hosen und Blusen passen ja auch wunderbar zu gebräunter Haut und der grünen Kulisse der Weinberge. Die Farbe der Autos ist beige metallic oder silber, aber am beliebtesten ist: ratet...
Mit einem Glas Chardonnay in der Hand kann man schon mal vergessen, wo die Leute, die einem das Haus bauen, den Wagen bewachen und sauber machen, die Hunde ausführen oder den Rasen mähen, heute Nacht schlafen.
Obwohl, wäre es besser, wenn die schwarzen Niedriglohnarbeiter alle arbeitslos wären? Eine Lösung ist wohl, wie immer, nicht so einfach.

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